Der Arbeitslinien Labrador


Was macht einen Labrador aus Arbeitslinien aus und was nicht? Bei vielen Anfragen von Welpeninteressenten wird deutlich, dass darüber viel Unklarheit herrscht. Vor diesem Hintergrund kommt hier also ein Versuch, auch für den interessierten Hundeanfänger etwas Klarheit zu schaffen, auch wenn das Thema so zusammengefasst natürlich etwas oberflächlich betrachtet ist. In der folgenden Erklärung werde ich den Bergiff Arbeitslinie synonym zu Field Trial Linie verweden. Das Zuchtprädikat "jagdliche Leistungszucht" ist damit nicht gemeint.

Im Ursprungsland des Labradors haben sich zwei Linien entwickelt. Aus dem ursprünglichen Jagdgebrauch (dieser Aufgabe gehen die Hunde immernoch nach) heraus die Arbeitslinie einerseits und aus dem Streben nach einem dem Standard bzw. dessen Auslegung im Showring immer mehr entsprechendem Phänotyp die Showlinie andererseits. Hunde aus der Arbeitslinie werden dementsprechend seit über einem Jahrhundert auf ihre spezifischen Arbeitsfähigkeiten selektiert. Neben dem praktischen jagdlichen Einsatz, wurden und werden diese Fähigkeiten auch auf Prüfungen unter Beweis gestellt, den sogenannten Field Trials. Diese sind Jagden, bei denen die Leistung des Hundes offiziell beurteilt und bewertet wird. Gewinnt ein Hund mehrere dieser Field Trials erhält er den Titel Field Trial Champion. Da sich innerhalb der Ahnentafel eines AL Labradors häufig einige FT Winner und FT Champions befinden, stammt daher die hier auch geläufige Bezeichnung der Arbeitslinie als Field Trial Linie. Aber: Ein Hund muss nicht auf einem Field Trial gestartet sein oder eine gewisse Anzahl an FT Champions in der Ahnentafel stehen haben, um zur Arbeitslinie zu gehören. Es erleichtert Laien bloß auf Anhieb an der Ahnentafel zu erkennen, zu welcher Linie ein Hund gehört. Bei Showlinien finden sich beispielsweise viele Show Champion Titel in der Ahnentafel. Die Arbeitslinie ist also über die Selektion auf ihre spezifischen Arbeitsleistungen entstanden und die Abstammung auf diese selektierte Gruppe macht den Hund zu einem AL Labrador. Die Linie des Hundes hängt somit von seiner Abstammung ab (welche man an der Ahnentafel erkennen kann) und nicht von der Optik. Natürlich besteht ein optischer Unterschied zwischen Arbeitslinie und Showlinie. Dieser Unterschied ist aber bloß das Ergebnis zweier unterschiedlicher Selektionskriterien (auf der einen Seite ein dem Standard immer stärker entsprechender Phänoytp bei der SL und auf der anderen Seite die Arbeitseigenschaften der AL). Die unterschiedliche Optik der Linien ist also Ergebnis der unterschiedlichen Zuchtziele, nicht der Grund ansich. Die genannten Selektionskriterien sind natürlich bei beiden Linien neben Gesundheit und Wesen zu sehen.


Ein Arbeitslinien Labrador zeichnet sich vor allem durch seine Arbeitseigenschaften und Leistungsfähigkeit aus. So zeigt ein AL Labrador eine sehr hohe Arbeitsfreude und eine hohe Kooperationsbereitschaft bei gleichzeitiger Fähigkeit zur Selbstständigkeit. Somit sind sie auch auf weite Distanzen ansprech- und lenkbar, können aber auch umschalten und selbstständig eigene Entscheidungen treffen, um das Stück zu finden - auf geniale Weise vereinen sie  sehr gegensätzlich erscheinende Eigenschaften. Trotz ihres enormen Drives, ihrer Energie und Freude an der Arbeit, bringen sie eine innere Ruhe mit, können still am Bein sitzen und die anderen Teams bei der Arbeit beobachten, bevor sie irgendwann selbst geschickt werden und dann mit Vollgas durchstarten (hohe Impulskontrolle und Frustrationstoleranz - Steadyness/Standruhe). Bei der Arbeit sollen sie außerdem absolut fokussiert, sowie ausdauernd in der Suche sein und ihre Nase effektiv einsetzen können, um nur einiges zu nennen. Haben sie das Stück gefunden, bringen sie es ohne Umwege auf dem direkten Weg und unversehrt zurück (Weichmäuligkeit). Natürlich werden viele dieser Fähigkeiten im Training noch geschliffen, aber die grundlegenden Fähigkeiten bringen sie genetisch mit. Diese Eigenschaften wurden und werden durch die Selektion auf diese Fähigkeiten geformt und erhalten. Bei einem AL Labrador Züchter sind dies neben Gesundheit und Wesen DIE Zuchtkriterien.

Einen gut ausgebildeten AL Labrador bei der Arbeit zu sehen ist faszinierend und eine wahre Freude. Diese Hunde brauchen das Arbeiten, ein Leben als reiner Familienbegleithund würde diesen Hunden nicht gerecht werden. Dennoch sind sie gerade durch ihre Arbeitseigenschaften auch ideale Hunde für die Familie und Alltagsbegleiter, wenn sie ihren Bedürfnissen entsprechend ausgelastet werden. Wieso schreibe ich das so deutlich? Bei vielen Anfragen von Welpeninteressenten wird als Hauptgrund für das Interesse an einem AL Labrador die athlethische und sportliche Optik im Unterschied zur Showlinie hervorgehoben. Dafür sei man auch bereit den Hund etwas auszulasten. Bei genauerem Nachfragen, stellen sich einige unter Auslastung einfach große Spaziergänge, Joggen und das Werfen von Futterbeuteln auf der Wiese vor (um es etwas überspitzt zu formulieren). Andere beteuern, dass sie mit ihrem Hund vorhaben Dummytraining/Rettungshundearbeit/etc zu machen. Hier fehlt häufig eine realistische Vorstellung davon, was das für einen Aufwand bedeutet (und nein, er ist nicht riesig, aber es ist mehr, als ein Dummy auf der Wiese zu werfen. RH-Arbeit hingegen ist sehr aufwendig und ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich bei jedem der das als Plan angibt - ohne jemals bei einem RH-Training gewesen zu sein - erst einmal skeptisch bin, da der Aufwand häufig unterschätzt wird und die meisten die Ausbildung schnell wieder abbrechen). An dieser Stelle also ein Appell an alle, die sich für einen AL Labrador interessieren: Seid euch selbst (und dem Züchter) gegenüber ehrlich. Beschäftigt euch (ausführlich!) mit Auslastungsmöglichkeiten und überlegt, ob ihr darauf richtig Lust hättet, oder ob ihr das eigentlich bloß in Kauf nehmt, weil ihr halt so gerne einen AL Labrador wollt. Ergänzend dazu möchte ich sagen, dass ich keinesfalls der Meinung bin, dass AL Labradors für Hundeanfänger ungeeignet seien - im Gegenteil. Findet man sich eher in der Gruppe wieder, die Auslastung eher als notwendiges Übel sieht, dann ist der Arbeitslinien Labrador nicht die richtige Wahl.

Und für jene, die sich den AL Labrador wegen der sportlichen Optik wünschen: Nicht jeder Showlinien Labrador ist dick und unsportlich, Übergewicht steht und fällt mit den Besitzern. Auch bei Showlinien Labbis gibt es unterschiedliche Typen und zum Spazierengehen und Joggen braucht man keinen Arbeitsspezialisten.

Prim (Thatchblack Adelaide Primrose - AL) und Trudie (Wellington's Waltraut - SL) von Holyharbours beim gemeinsamen Training.